Die Welt ist viel zu bunt, um schwarz zu sehen !!!

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Viola Kunterbunt

Viola Kunterbunt
und die Farben des Lebens

Es war einmal... - zu einer Zeit, als Gefühle noch wichtig waren und die Phantasie noch Berge versetzen konnte, - da lebte in einem wunderschönen, großen Waldgebiet
Viola Kunterbunt mit ihren Tieren.

Direkt am Fuße eines großen Berges stand ihre kleine, gemütliche Hütte mit dem tiefhängenden Dach über den blumengeschmückten Fenstern. Neben der großen, schweren Holztür stand eine Bank aus Baumstämmen. Darauf saß Viola Kunterbunt oft Stunden um Stunden und unterhielt sich mit ihren Freunden.

Sie trug ein langes Kleid, das so aussah, als wären alle Farben der Welt hier zu einem Festball erschienen. Das Rot des Feuers tanzte Cha-cha-cha mit dem Sonnen- Orange und des Himmels Blau walzerte mit dem Grün der Wälder.

Ein Menuett von Rosa und Lila wirbelte auf dem schwingenden, leichten Gewand. Bei genauerem Hinsehen konnte man fast die zappelnden Kobolde zwischen tanzenden Feen entdecken.

Dieses Kleid gehörte zu ihr, genau wie ihre Freunde, die Tiere.
  Da war der bunte Papagei, mit dem sie fröhlich herumalberte und an dessen Rot und Blau und Gelb und Grün im leuchtenden Gefieder sie Tag für Tag ihre Freude hatte.
Er wußte immer die neuesten Geschichten aus dem Wald zu berichten und hatte Spaß daran, ihr Klatsch und Tratsch... wer mit wem... wie und wann... weshalb und warum... brühwarm zu erzählen.

Neben ihren Füßen lag oft der goldbraune Löwe mit dem mächtigen Kopf, der ihr mit großen, nachdenklichen Augen zuhören konnte. Ihm durfte sie alles anvertrauen, was ihr Herz bewegte, denn er konnte schweigen wie kein anderer.

Nah bei ihr, auf der Bank lag die blau schimmernde Katze in der Sonne und philosophierte mit Viola Kunterbunt über den Sinn und Unsinn dieses Lebens. Kein Thema war zu belanglos, um nicht von allen Seiten beleuchtet werden zu können.

So verbrachte Viola ihre Tage mit fröhlichem Geplauder, wunderschönen Spaziergängen durch die blühende Natur und pflegte ihr Häuschen, das ihr Zuflucht und Heimat war.
Bei Sonnenschein ließen die kleinen Fenster genügend Strahlen herein, um die Zimmer  in warmes Licht zu tauchen.
Und wenn der Sturm die Bäume peitschte und der Hagel auf das Dach knallte, was gab es dann Schöneres, als unter der mollig weichen Daunen Decke von der Sonne zu träumen.

Die Tiere im ganzen Wald waren ihre Freunde, die sie auf ihren langen Wanderungen besuchte und die sich immer wieder freuten, wenn Viola Kunterbunt bei ihnen verweilte.

 

Eines Tages, sie spürte schon den ganzen Morgen eine Gefahr auf sich zukommen, da hatte der Hase eine Neuigkeit für sie, die ihn und alle anderen Tiere sehr in Aufruhr versetzte. Denn es waren Spuren gesichtet worden. Spuren, die von keinem der im Wald lebenden Tiere stammen konnten. Der Hirsch hatte sogar eine fremde Gestalt gesichtet, und der Adler, der schon weit herumgekommen war, wußte es ganz genau:

Diese Tatzentritte waren das unverwechselbare Zeichen des großen Wolfes. Eines der wenigen Tiere im Universum, die sich nicht an die ungeschriebenen Gesetze des Waldes halten wollten.
Alle anderen hatten akzeptiert, daß nur durch Vertrauen und Liebe untereinander ein so friedliches Leben möglich war, aber der Wolf wollte immer nur zerstören und war dadurch der Feind für alle.

Doch das Schlimmste war, daß er die Farben des Waldes vernichtete. Mit jeder grünen Pflanze, die er fraß, verschwand das gesamte Grün in einem großen Umkreis, und das Gras wurde grau.
Das Gelb und Rot verschwand von den Blüten, und die Blumen blieben wie in traurigem Nebel zurück.

Viola Kunterbunt erschrak sehr über die unsichtbare, aber bedrohliche Anwesenheit des Wolfes. Doch tapfer schlug sie vor: "Lasst uns etwas unternehmen! Gemeinsam werden wir ihn doch besiegen können!"

"Ich bin zu klein" meinte der Hase, "wie soll ich ihn schlagen können?"

"Ich bin zu langsam" meinte der Hirsch, "wie soll ich ihm folgen können?"

"Ich bin zu schwach" meinte der Adler, "wie soll ich ihn vertreiben können?"

Ein jedes Tier hatte einen guten Grund, so daß Viola Kunterbunt sich etwas anderes überlegen mußte, um den Wolf aus ihrem Paradies zu verjagen.
Sie sprach mit dem Löwen über ihr Problem. "Das wirst Du ganz alleine lösen müssen. Du bist die Beschützerin der Farben. Sorge Du dafür, daß Dir niemand Deine Farben nimmt.
Denn solange es keinem anderen ein Opfer wert ist, - solange kein anderer dafür seine Angst vor dem Wolf überwindet, und Du aber die Farben retten willst, ...
solange bist nur Du ganz alleine verantwortlich!

Wenn Du willst, dass etwas geschieht, dann musst Du etwas dafür tun."

 

Am nächsten Morgen, als die Sonne gerade hinter den Bergen hervorkam, stellte sich Viola auf die Lichtung an dem großen Weg und wartete bis der Wolf aus dem Dickicht auftauchte.

Er schritt langsam und bedächtig den breiten Pfad entlang, - wohlwissend, daß sich ihm kein Tier in den Weg stellen würde. Doch wie überrascht war er, als plötzlich Viola Kunterbunt auf ihn zusprang.

Diese kleine Göre, von der er doch dachte, daß sie genügend Angst vor seiner Größe und Respekt vor seinem Alter haben würde, um ihn nicht anzugreifen.

Und nun stand sie vor ihm und sprach ihn an. Mit lauter Stimme, die nur ein ganz klein wenig vor Angst bebte, warf sie ihm alle seine Schandtaten vor, jede Kleinigkeit führte sie auf und jeder Satz stach ihn wie mit Nadeln und bereitete ihm körperliche Schmerzen. Sie hörte gar nicht mehr auf,  ihn zu piesacken, - mit jeder Anschuldigung wurde er kleiner und schwächer.

Violas Anklagen trafen ihn in Mark und Bein.
Sie hörte nicht auf, ihm seine Fehler vorzuhalten und diese massive Macht der Vorwürfe warf ihn zu Boden.

Violas Freunde, die Tiere kamen nun aus ihrem Versteck und sorgten für den Abtransport des Wolfes, der nun ganz und gar unschädlich gemacht war.
Kaum war der Feind weggebracht, sah Viola Kunterbunt wieder die Farben erscheinen. Leuchtendes Rot, strahlendes Blau und saftiges Grün breiteten sich aus. Sie hatte ihr buntes Paradies gerettet und erkannte, wie wichtig all dieses Erhaltene für sie war.

Der Löwe kam zu ihr und gratulierte: "Welch ein Erfolg, Viola! So viel Macht hatte der Wolf scheinbar so lange Jahre über Deine Welt. Du allein hast diesen Schatten vertreiben können. Endlich!"

 

Ein weiterer Sommer ging ins Land, und der Herbst färbte das Laub in den prächtigsten Farben. Gelb- Orange- Töne, wildes Rot und erdiges Braun bis hin zum Gold des Oktobers zeigten Viola jeden Tag die Schönheit des Lebens.

Ein stürmischer Dezembertag brachte neues Unheil in das bunte Paradies.
In der Mitte der Nacht,
- als der vergangene Tag abgeschlossen und der neue noch so weit weg war,
- als das alte Jahr vergangen und sich das neue noch auf den Beginn vorbereitete,
- als der Sturm durch die Bäume und über die Hügel fegte,
- als alle Tiere sich in ihren Höhlen verkrochen hatten und doch kein Auge zutaten wegen des Lärms, den die knarrenden Stämme machten,
- als Viola Kunterbunt noch glaubte, daß nichts ihre Sicherheit erschüttern könne,
- - - da schlug der Blitz in die alte Eiche neben der Hütte erbarmungslos ein.

Lichterloh brannte der trockene Stamm. Die Äste zitterten noch im Schein der Flammen, warfen ihre bunten Blätter schwarzverbrannt auf die glühende Erde ringsum.

Brennende Zweige streiften herunterfallend das Dach des Hauses und setzten die Holzbalken in Brand. Bald qualmte es auf dem Dachboden und Viola Kunterbunt konnte sich nur im letzten Moment aus dem Feuer retten.
Für den Rest der Nacht fand sie Unterschlupf in einer Höhle, die alt, nass und dunkel war, aber ihr ein wenig Schutz vor dem Sturm gab.

Der Regen wurde stärker und stärker, - und löschte das Feuer, bevor die ganze Hütte in sich zusammengesunken war.

Als die Sonne aufging, erblickte Viola Kunterbunt das ganze Ausmaß der Katastrophe. Die Wände der Hütte standen zwar noch, aber all die Schätze, die Viola Kunterbunt in den Jahren angesammelt hatte, waren schwarz vom Ruß, der sich überall niedergelassen hatte. Die Bank vor der Hütte war angekohlt, selbst ihre Freunde, die Tiere, waren grau von der Asche, die wie ein dumpfer Nebelregen auf das ganze Land niedergegangen war.
Rundum waren alle Blumen, die ganzen Bäume und Wiesen voller Ruß, voller Schmier. - Es waren keine Farben mehr zu sehen!
Der Ruß in der Luft verdunkelte die Sonne und machte den Morgen dämmerig wie die Nacht.
Die ganze Welt war grau wie Asche und schwarz wie Kohle.
Kein Rot, - kein Blau, - kein Gelb!
Keine Pastelltöne,- keine Powertöne,- einfach keine Farben mehr!

Viola Kunterbunt saß auf einem Felsbrocken und weinte. Voller Angst jammerte sie dem Gefühl der Sicherheit nach, das sie nun völlig verloren hatte.
Wenn diese eine Nacht ihre Welt so verändern konnte, wie konnte sie sich jemals wieder irgendeiner Tatsache sicher sein?
Wenn heute noch die Sonne am Himmel stand, vielleicht war schon morgen auch das vorbei.

Neben ihr saß traurig der Papagei und betrauerte seine Farbenpracht, die unkenntlich unter einer dunklen Schicht verborgen war.
Die Katze konnte nicht mehr sprechen, so erschüttert war sie darüber, daß ihr schimmerndes Blau einem stumpfen Grau gewichen war. Nicht einmal ihrer besten Freundin Viola Kunterbunt konnte sie ihre Gefühle offenbaren.
Der Löwe aber, selber auch ohne Farbe, schaute Viola an und sprach:

"Weine ruhig, wenn es Dir gut tut, - aber dann: Steh auf, Viola! Sieh nach, wo Deine Farben sind! Suche nach Ihnen und Du wirst sie wiederfinden. Sie sind nur verdeckt. Befreie sie und Dein Leben wird wieder bunt!"

Sie schluchzte noch eine Weile vor sich hin und dann endlich raffte Viola Kunterbunt sich auf, ging los und sah sich alles mit offenen Sinnen an.
Da waren die Rosen am Südhang, die verdorrt von der Hitze und voller Ruß dort standen, aber die Köpfe oben hielten. Stolz und unverwundbar reckten sie sich zum Himmel. Sie hatten die Hitze ganz nah gespürt, aber sie standen stolz an ihrem Platz.
Die Birken wiegten sich im Wind und ihre zarten Blätter raschelten aneinander, bis Viola daraus eine Melodie erkannte. Andere Büsche und Bäume beteiligten sich bald darauf an dem Konzert. Glockenblumen setzten mit zartem Klang neue Akkorde und ein Reigen entstand, den sie mitsummen konnte, und deren Refrain immer und immer wieder lautete:
Alles wird gut!
Alles wird gut!

Während sich Viola Kunterbunt in das Orchester der Pflanzen einfügte, begann sie den Ruß an den Blumen mit ihrem bunten Kleid abzureiben, und siehe da, der Schmier ließ sich entfernen. Bald hatte sie die erste Blume gesäubert und erfreute sich an dem strahlenden Rot der Blütenblätter, da ging ihr das Herz immer weiter auf, - das Lied auf ihren Lippen wurde lauter, - die Kraft der Farben verselbständigte sich und bald schon fiel der Staub von vielen Blumen und Bäumen.

Je hoffnungsvoller Viola an die Farben glaubte, desto schneller entwickelte sich alles um sie herum zu einer bunten Pracht.
Alles wird gut!

Alles wurde sogar noch besser, - denn gereinigt von allem Schwarzen wirkten die Farben leuchtender und schöner als je zuvor.
Die Tiere, die wieder geputzt in bester Form vor ihr standen, halfen ihr, die Hütte wieder aufzubauen.
Alles wird gut!
Alles wurde schöner, als es vorher war.

 

Nach Monaten, in denen es Viola Kunterbunt mit all ihren Freunden so gut ging wie nie zuvor, in denen sie sich jeden Tag dankbar an den Farben und der Musik der Pflanzen erfreute, - nahte die nächste Katastrophe.
Die Tiere erzählten ihr von seltsamen Dingen, die in der Gegend passierten. Es wurden Gestalten gesichtet, die genauso schnell verschwunden waren, wie sie auftauchten. Es wurden Reste von Lagerfeuern gefunden, Tummelplätze von seltsamen Wesen, die immer mehr Platz einnahmen. Einige Tiere waren verschwunden, - keiner wußte wohin. Ganze Waldstücke wurden eingegrenzt, und damit für alle unbegehbar gemacht. Das große, glückliche Reich wurde immer kleiner.
Alle, die noch beisammen waren, wurden von großer Angst gelähmt.
Viola Kunterbunt mußte jeden Tag neue Vermißtmeldungen in Empfang nehmen. Sie trauerte um jedes Tier, das sie nicht mehr besuchen kam.
Während Angst und Traurigkeit die Macht über sie gewannen, verschwanden auch die Farben, die sie so sehr liebte und Viola versank in Mutlosigkeit.
Bis sie schließlich feststellen mußte, dass das Waldgebiet, das ihr noch zur Verfügung stand, erschreckend klein geworden war.

Eines Abends saß sie auf einem Felsbrocken nahe ihrer Hütte und überlegte verzweifelt, was sie nun tun konnte.
Plötzlich sprach eine Stimme zu ihr: "Viola Kunterbunt, warum weinst Du?"
Sie erschrak sehr, denn diese Stimme war ihr völlig unbekannt. "Wer bist Du? Und wo bist Du?" fragte sie, ohne eine Antwort zu geben.
Die tiefe, angenehme Stimme sprach langsam weiter: "Ich bin Minerva, die Birke, unter der Du sitzt.
Ich bin viele tausend Jahre alt und habe schon vieles auf dieser Welt gesehen."

Viola war völlig verwundert "Ich habe Dich nie wirklich bemerkt, wieso sprichst Du gerade jetzt zu mir?"
"Du hast mich doch bis jetzt auch nicht gebraucht.
Das Leben bietet Dir immer genau die Begegnungen, die für Dich wichtig sind. Du mußt nur genau hinhören und hinsehen.
Ich habe Dich immer beobachtet. Damals, als Du den Wolf vertrieben hast, - da warst Du so stark. Und als das große Feuer Dir die Farben genommen hat, hast Du Deinen Weg gefunden, um wieder glücklich zu werden.
Doch was ist nun? - Viola Kunterbunt, warum weinst Du?"

"Habe ich nicht Grund zum Weinen? Meine ganze Welt bricht auseinander! Die Tiere, die ich liebe, verschwinden einfach so und sind weg für immer. Mein Gebiet wird immer kleiner. Die Farben werden immer schwächer, und die Musik wird immer leiser. Ich hänge mit meinem ganzen Herzen an allem, was zu diesem Wald gehörte, doch nun wird mir alles weggenommen und ich werde nichts mehr halten können."

Minerva sprach zu ihr:
"Wenn dieser Wald keinen Platz mehr für Dich bietet, suche Dir einen anderen, - einen, der Dich gerne aufnimmt."

"Wie kann ich daran denken, in einen anderen Wald zu gehen?
Meine Farben, meine Lieder, meine Freunde sind hier,
und ich bin ein Nichts und Niemand ohne all das!"

Minerva schüttelt weise lächelnd ihre Zweige, - so als wüßte sie alle Antworten der Welt.

"Aber, Viola Kunterbunt, -            
 wer wirklich Dein Freund ist, der wird Dich nicht verlassen, - egal wo Du bist.
Und die Farben, die sind nicht in diesem Wald, - die Farben sind in Dir, - genau wie Deine Musik.
Wenn Du an Deine Kraft glaubst, dann werden Dich Deine Farben und Deine Musik begleiten, wo immer Du auch bist.
Alles ist um Dich herum - und Du bist in allem.
Alles ist in Dir!
Du bist die Königin Deiner eigenen farbigen Welt!
Egal wohin Du gehst - egal, was Du verläßt, - alles was für Dich wichtig ist, findest Du in Dir!"

Viola Kunterbunt verstand die Worte von Minerva und eine tiefe Zufriedenheit machte sich in ihr breit, während sie losging, um ihren Weg und Platz zu finden.
Dicht hinter ihr folgten der Löwe, die Katze - und über ihr der Papagei.

Sie betrat ein neues Land, ein Gebiet, das ihr unbekannt und fremd war, aber mit einem Lied auf den Lippen und voller Vorfreude auf alles, was sie erwarten würde, schritt sie mutig voran. Die Farben ihres bunten Kleides leuchteten weit und sprangen über auf alles, woran Viola vorbeikam. Alles wurde bunter und leuchtender.

Und Viola Kunterbunt spürte ganz tief die Sicherheit in sich:

ALLES  WIRD  GUT !